Das gerade Gegenteil zu dem warmen sonnigen Wohngelaß bildetete das Gast-Geistzimmer, das ganz ins schneeigem weiß gehalten und mit Möbelstücken im Stil des ersten französischen Kaiserreichs, die der Großvater wohl seinerzeit aus dem alten Schloßinventar erworben haben mochte, ausgestattet war, eine Einrichtung, wie man sie in den besseren Bürgerhäusern jener Zeit nicht selten vorfand. Trotz der hellen lichten Farbe hatte der nicht sehr große Raum etwas unheimliches, direkt mystisches, wozu besonders die tiefe Nische mit der durch Spitzenvorhänge umzogenen Himmelbettstatt wesentlich beitrug, von der man wusste, dass darin einst der „Malefizschenk“ gestorben war und auf dem Paradebett gelegen hatte.
Nur mit pochendem Herzen und einem Gefühle geheimnisvollen Schauderns, und auch nur dann, wann es gar nicht anders ging, betrat ich das seltsame Zimmer, dessen rätselhafte Beschaffenheit darin bestand, dass niemand in ihm die ganze Nacht hindurch auch nur eine viertel Stunde ein Auge zu schließen vermochte. Selbst dann nicht, wenn man todmüde sich dort aufs Lager streckte. Jedes Familienglied, auch das beherzteste und übernatürlichen Dingen gegenüber skeptischste, vermied es, wenn irgend möglich, darin sich niederzulegen, um – nicht zu schlafen.
Mein Vater, den einmal die Not zwang, dies doch tun zu müssen, machte dieselbe schlimme Erfahrung, als er von einer anstrengenden körperlichen Arbeit aufs äußerste erschöpft und müde zum Umsinken sich in der Geisterstube zur Ruhe begab und hernach wirklich keinen Augenblick Schlaf zu finden vermochte, wie er sich auch mühte.
Und mir selbst ging es mehrere Jahre nach meines Großvaters Tode als 22-jährigem jungen Manne, wie ich als Gast seines noch unverheirateten Nachfolgers nach langer Zeit wieder einmal im alten Familienhause abstieg, und in dem immer noch als Fremdenzimmer verwendeten Gelaß nächtigen musste, gerade so, trotzdem ein ordentliches Trinkgelage vorausgegangen war, und mir die nötige Bettschwere nicht mangelte. Kaum lag ich schlaftrunken in jener Nische, war jede Müdigkeit und Schläfrigkeit wie weggeblasen. Aber es war mir von Zeit zu Zeit just als zöge ein deutlich spürbarer eisiger Lufthauch durchs Zimmer, der mich durch die warme Decke hindurch bis auf die Knochen frösteln machte und die ganze Nacht bis zum Tagesgrauen jeden Schlaf mir aus den Augen scheuchte.
Erst als der erste Morgenstrahl sich ins Gemach schlich und draußen die Betglocke ertönte, verfiel ich in einen kurzen unruhigen Schlummer.